Sharing Economy – „Deutschland teilt“
Ist Deutschland auf dem Weg in eine neue Konsumkultur?
Lüneburg. Die diesjährige CeBIT, weltgrößte Messe der digitalen Wirtschaft, hat den aktuellen Trend einer Shareconomy, des Teilens über das Internet, zu ihrem Leitthema gemacht. Die Veranstalter berufen sich dabei auf eine Studie von Harald Heinrichs. Der Leuphana-Professor für Nachhaltigkeit und Politik hat das Phänomen untersucht und in einer Repräsentativbefragung herausgefunden, dass jeder zweite Deutsche bereits Teil der „Sharing Economy“ ist. Insbesondere die jüngere Generation habe die Vorteile einer Ökonomie des Teilens wiederentdeckt und belebe sie dank der Internettechnologie neu, so der Wissenschaftler.
Ob Car-Sharing, Fahrrad-Ausleihe, Wohnungs- oder Gebrauchtwaren-Tausch zwischen Privatleuten – mit dem Internet haben sich die Möglichkeiten des Teilens und gemeinsamen Nutzens von Dienstleistungen oder Produkten in eine neue Dimension bewegt. Der Aufwärtstrend dieser alternativen Konsumformen ist auch für die Nachhaltigkeitswissenschaft interessant, etwa unter dem Aspekt der Ressourcenschonung. Professor Dr. Harald Heinrichs vom Institut für Nachhaltigkeitssteuerung der Leuphana Universität Lüneburg und sein Mitarbeiter Heiko Grunenberg haben den aktuellen Trend im Auftrag des Privatunterkunftsvermittlers „Airbnb“ näher untersucht.
Seine repräsentative Studie ‚Sharing Economy’, erstellt in Zusammenarbeit mit TNS-Emnid, basiert auf der Befragung von mehr als 1.000 zufällig ausgewählten Personen. Sie wurden unter anderem nach ihren Erfahrungen mit alternativen Konsumformen gefragt und sollten angeben, was ihnen an Produkten und Dienstleistungen besonders wichtig ist. Zu den wesentlichen Ergebnissen der Untersuchung zählt, dass die Mehrheit der Befragten (55%) Erfahrungen mit alternativen Besitz- und Konsumformen hat. Vor allem jüngere Menschen mit höherer Bildung und höherem Einkommen sind es, die Verleihsysteme und das Internet nutzen, um Dinge zu kaufen und zu verkaufen oder Privatzimmer anzumieten oder zu vermieten.
Überraschend waren für die Wissenschaftler auch die Antworten auf die Frage, was an Produkten und Dienstleistungen besonders wichtig ist. Während Qualität mit 97 Prozent und Preis mit 89 Prozent erwartungsgemäß häufig genannt wurden, rangierten Nachhaltigkeitsaspekte wie Umweltverträglichkeit und soziale Verantwortung des Unternehmens mit Werten von deutlich mehr als 80 Prozent schon auf den nächsten Plätzen. Heinrichs: „Die Daten zeigen, dass Formen und Funktionen des Konsums in Bewegung gekommen sind und alternative Besitz- und Konsumformen mehr sind als ein Nischen- oder Oberflächenphänomen.“ Unterstützt oder häufig erst ermöglicht werde eine solche Entwicklung durch die sozialen Medien.
Die Wissenschaftler gehen mit Blick auf die Untersuchungsergebnisse davon aus, dass sich die Ökonomie des Teilens weiterentwickeln wird. Ein Indiz dafür: Signifikante Anteile der Befragten im Alter zwischen 14 und 39 Jahren haben ihre Konsumgewohnheiten offenbar um die neuen Formen erweitert. „Die jüngere Generation hat die Vorteile einer Ökonomie des Teilens wiederentdeckt und belebt sie dank Internettechnologie neu“, sagt Professor Heinrichs. In Anbetracht der potentiell positiven Nachhaltigkeitswirkungen dieser Entwicklung sehen die Autoren Politik, Wirtschaft und Gesellschaft gefordert, die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass die Ökonomie des Teilens und gemeinsamen Konsums als Ergänzung zu Eigentums-Ökonomie und individualisiertem Konsum ihre Entwicklungspotentiale entfalten können.